Wieder am Lipno-ein Nachtrag aus 1967

Antworten
grusteve
Brasse
Beiträge: 178
Registriert: 21.11.2016, 17:35
Revier/Gewässer: Tschechien
Wohnort: Enns
Hat sich bedankt: 235 Mal
Danksagung erhalten: 150 Mal

Wieder am Lipno-ein Nachtrag aus 1967

Beitrag von grusteve » 26.01.2020, 18:19

Grüß euch alle !
Schon nächstes Jahr, im Frühsommer 1967, war ich wieder am Lipno. Und das kam so. Mein ehemaliger Physiklehrer, dem ich von meinem vorjährigen Ausflug erzählt hatte und der ein begeisterter Jäger und Fischer war, wollte unbedingt dorthin. In seinem ziemlich neuen Mercedes - er war ein recht wohlbestallter Herr - rollten wir komfortabel gegen Norden und ich junger Tupf kam mir - obwohl nur Beifahrer - dabei echt gut und lässig vor.
An der Grenze war alles wie gehabt, Soldaten mit MP, mürrische Grenzer und ein flaues Gefühl im Magen. Und doch war etwas anders, denn der „abschließende“ Grenzer, der uns unsere Pässe zurückgab, sprach perfekt Deutsch, sogar mit mundartlicher Färbung- ein Exot hier. Wir sprachen auch etwas miteinander, recht freundschaftlich, und das zufällige Zusammentreffen wird noch eine gewisse Rolle spielen.
Ich glaube auch fast, dass wir das 48 Stunden Visum diesmal schon direkt an der Grenze bekommen hatten - oder war das doch erst 1968 im Jahr des „Prager Frühlings“?
In Cerna (Schwarzbach) sagten die kleinen Holzhütterln meinem Begleiter nicht wirklich zu und so quartierten wir uns im recht neuen Hotel Racek ein.
Dann ging es sofort zum Fischen und sehr bald kam ein herrenloses Boot getrieben. „Ein Geschenk des Himmels, das leihen wir uns jetzt aus“, meinte mein Fischerkollege, der ein überaus lustiger unkonventioneller Geselle war. Ich hatte alle Mühe, ihm das auszureden, denn in einem tschechischen Kotter wollte ich wirklich nicht landen.
Und dann fischten wir längere Zeit und konzentriert- und fingen nichts aber auch gar nichts.
Nach einem Stellungswechsel in die Nähe des Hotels fingen wir dann doch noch zwei Karpfen, keine Riesen, sondern so Vierziger, die wir hälterten. Als wir abends zusammenpackten, ergab sich die Frage, was mit ihnen tun ? Er hatte wieder eine steile Idee und so trugen wir sie feucht im Rucksack gut verpackt ganz rasch ins Hotel in unser Zimmer, wo wir sie in die Badewanne setzten.
In der Früh - die Karpferl standen brav und ruhig in der Wanne - war aber wieder das Problem da, denn heut war Forellenfischen angesagt. „Nach dem Frühstück lassen wir sie wieder aus, sie sind eh noch klein“. So geschah es auch, allerdings während wir noch ausgiebig frühstückten, hatte schon das Zimmermädchen aufgeräumt und geputzt. Sie wird wohl etwas geschaut haben.
Und so kamen die zwei Bedauernswerten doch wieder zurück in den See und ich hoffe, dass sie noch einige Jahre in Frieden gelebt haben.
Zum Forellenfischen fuhren wir weit über Oberplan (Horni Plana) aufwärts, wo die Moldau noch als Flüsschen rinnt. Mit treibendem Wurm oder Wurm und Stoppel versuchten wir es zuerst wenig waidgerecht, fingen aber nur ein respektables Aitel, das natürlich tief geschluckt hatte. Zwei vorbeikommenden jungen Tschechinnen mit Kinderwagen wollten wir es schenken, doch nur widerwillig und eher misstrauisch nahmen sie es an und vielleicht haben sie es nach der nächsten Kurve in hohem Bogen weggeworfen, entweder weil sie es kannten und über die vielen Gräten Bescheid wussten oder weil wir „Kapitalisten“ ihnen sowieso suspekt vorkamen.
Mit kleinen Meppserln fingen wir dann doch noch ein Forellerl, welches aber so untermaßig war, dass wir es natürlich rücksetzten. Es war also eine recht durchwachsene Fischerei.
Ja und dann ging es wieder heimzu. Mein Fischerfreund hatte schon vormittags in einem Jagdgeschäft mehrere Schachteln Schrotpatronen gekauft, die ganz billig aber von guter Qualität waren, wie er schon wusste. Diese legte er offen auf die Rücksitze und deckte sie mit einer Jacke etwas zu. „Die sucht hier keiner“, wovon ich weniger überzeugt war.
An der Grenze, wer tat da aber diesmal auf der Ausfahrtseite Dienst? Es war unser deutschsprechender „Freund“, der uns noch kannte. Wir plauderten etwas und unbehelligt passierten wir.
„Na siagst, alles halb so wüd“, meinte mein nervenstarker Begleiter, ein echter Gemütsmensch eben.

LG von grusteve(Stefan)
Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor grusteve für den Beitrag (Insgesamt 3):
KaindlauLupusregus

Benutzeravatar
Lupus
Wels
Beiträge: 9116
Registriert: 19.03.2005, 10:58
Revier/Gewässer: verschiedene
Wohnort: Wien
Hat sich bedankt: 959 Mal
Danksagung erhalten: 965 Mal

Re: Wieder am Lipno-ein Nachtrag aus 1967

Beitrag von Lupus » 27.01.2020, 07:00

Wieder eine sehr amüsante Erinnerungsgeschichte.

Nun, dass die jungen Tschechinnen mit dem Aitel keine Freude hatten, kann ich mir nur bestens vorstellen.
Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor Lupus für den Beitrag:
grusteve

grusteve
Brasse
Beiträge: 178
Registriert: 21.11.2016, 17:35
Revier/Gewässer: Tschechien
Wohnort: Enns
Hat sich bedankt: 235 Mal
Danksagung erhalten: 150 Mal

Re: Wieder am Lipno-ein Nachtrag aus 1967

Beitrag von grusteve » 27.01.2020, 11:41

Lupus hat geschrieben:
27.01.2020, 07:00
Nun, dass die jungen Tschechinnen mit dem Aitel keine Freude hatten, kann ich mir nur bestens vorstellen.
Ja, die waren ein knuspriges, feines Karpferl trotz aller Wahrscheinlichkeit der bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnisse vermutlich schon gewöhnt !
Bei uns an der Donau waren Karpfen eher selten zu fangen, daher waren wir zu dieser Zeit sehr wohl Näslingen, Brachsen und eben auch Aiteln keinesfalls abgeneigt.
LG

Antworten

Zurück zu „Tschechien/Slowakei“