Seite 2 von 2

Re: Wien - wie es ganz früher war

Verfasst: 13.02.2020, 19:07
von grusteve
regus hat geschrieben:
13.02.2020, 12:03
Sind diese Treppelwege nicht erst mit der Begradigung aufgekommen? Oder ab wann wurden die Schiffe mit Pferden hochgezogen?
Ich hab von dem Ganzen nicht den geringsten Tau gehabt- nur dem Namen nach irgendwie gekannt- und mich jetzt ein bisschen erkundigt !

Es ist hochinteressant und auch umfangreich.

Diese organisierten Schiffszüge gibt es auf der Donau mindestens seit dem 15. Jh. vermutlich aber schon weit länger. So ein Zug bestand aus bis zu 60 Pferden und 60 Leuten, war bis zu 500 m lang und bewegte 500 t Nutzlast aufwärts. Es gab mehrere Schiffe, größere und kleinere, Schiffsnamen wie Kelheimer (bis zu 40 m lang), Nebenschiffe wie Schwimmer, usw. gab es und Hohenauer hieß der ganze Schiffszug, der Zug brauchte von Wien nach Passau ca. 5 Wochen und 9 mal musste die Donauseite gewechselt werden. Pferde und Reiter mussten durchaus auch ins Wasser, auf gar keinen Fall aber durfte das Hauptseil ins Wasser, manchmal kam man an einem Tag nur einige km weiter.
Ja und Sträflinge hat man auch zum Ziehen der Schiffe herangezogen, die diese Tortur oft nicht lange überlebten. Gerade in der Ära von Joseph II -die Todesstrafe war ja nun abgeschafft- gab es jetzt genug solche Bedauernswerte.
Donauaufwärts "getreidelt", so nannte man das, wurden besonders gerne auch Weinfässer.

Also ich meine, es müsste ein unwahrscheinliches Erlebnis sein, so einen Schiffszug zu beobachten, womöglich gar beim Übersetzen.
Ich hab da jetzt alles nur so zusammengestoppelt, bitte nachsichtig sein.

LG von grusteve

Re: Wien - wie es ganz früher war

Verfasst: 13.02.2020, 21:59
von thomasfischt
Ich glaube das Foto mit dem Hausen ist gar nicht so alt.
Farbfotografie für jedermann gabs erst ab den 60ern.
Wenn man bedenkt dass die Hausen eigentlich durch das Bauen der Kraftwerke und die dadurch unmögliche Wanderung ausgestorben sind ist das Foto vielleicht aus den 40er oder 50er Jahren. Das Deutsch auf dem Schild ist auch ziemlich modern.
Der Hausen auf dem Foto ist übrigens ein eher kleines Exemplar. Da hab es noch ordentlich größere.
Ein eigener Berufszweig waren die Hausen-Schlachter, es muss also Unmengen von denen gegeben haben

Re: Wien - wie es ganz früher war

Verfasst: 14.02.2020, 06:45
von Lupus
thomasfischt hat geschrieben:
13.02.2020, 21:59
Ich glaube das Foto mit dem Hausen ist gar nicht so alt.
Farbfotografie für jedermann gabs erst ab den 60ern.
Wenn man bedenkt dass die Hausen eigentlich durch das Bauen der Kraftwerke und die dadurch unmögliche Wanderung ausgestorben sind ist das Foto vielleicht aus den 40er oder 50er Jahren. Das Deutsch auf dem Schild ist auch ziemlich modern.
Der Hausen auf dem Foto ist übrigens ein eher kleines Exemplar. Da hab es noch ordentlich größere.
Ein eigener Berufszweig waren die Hausen-Schlachter, es muss also Unmengen von denen gegeben haben
Das ist es, was ich in meinem Posting gemeint habe. Für mich (Jahrgang 1959) sieht es irgendwie wenn ich so in meine Kindheit zurückblicke aus wie ein Foto von "Leute wie Du und ich", also gar nicht so archaisch.

Und ich weiß nur, dass das erste Donaukraftwerk, welches "unten" gebaut wurde, ca. 1970 fertiggestellt wurde (Porțile de Fier, also Eisernes Tor) als Gemeinschaftsproduktion des jugoslawischen und rumänischen Staatschefs. Und das müsste heißen, dass es spätestens ab 1970 das Aus für die Wanderung der Störartigen bedeutet hat. In meiner Kindheit war das einzige Stauwerk, welches es an der Donau gab, Ybbs Persenbeug. Und ich könnte mich in den A.....beißen vor Ärger, dass ich die fließende Donau vor dem Bau der Stufe Freudenau nicht zum Fischen genutzt habe. Das wäre ein interessantes Donaufischen gewesen, nicht wie jetzt in dieser Wasserwüste von aufgestautem Wasser, wo ich mir gleich verloren vorkäme bevor ich überhaupt anfange.
Die Donau damals in Wien konnte man noch richtig als Fließwasser "lesen", überall gab es Buhnen, Kehren etc.
Nur ich Tepp war damals nur auf "Göbe" (Karpfen) aus und dachte, die finde ich nur im Stürzlwasser, weshalb ich die ganze Freizeit am Stürzlwasser "knotzte".

Re: Wien - wie es ganz früher war

Verfasst: 14.02.2020, 08:25
von regus
Danke Grusteve für deinen Beitrag, ich hätte nicht gedacht dass die Treppelwege schon so alt sind. Wie das dann ohne Begradigung gegangen ist, ist mir echt ein Rätsel.
Unter "Leinpfad" in Wikipedia sieht man einige interessante Abbildungen, unter anderem auch ein Foto einer befestigten Furt, das erklärt wie die über Altarme und Abzweigungen drüber gekommen sind, zumindest bei Normalwasserstand.

Gerhard, ich habe damals die Donau noch befischt vor dem Kraftwerksbau. Das waren meine ersten Gehversuche beim Spinnfischen am großen Strom.
Ich hatte alle Artikel von Fisch u Fang und dem Blinker auswendig gelernt, mein Ziel war der Zander. Damals noch mit normaler Monoschnur, denn Geflecht war noch nicht in der Angelbranche angekommen.
Ich habe die Buhnen millionen mal abgeworfen, hatte aber nie Kontakte. Der alte Gangl aber, der tat immer so als wäre die Zanderfischerei das einfachste der Welt - er fing immer - und immer große natürlich :lol:
Ich konnte es nicht fassen, warum er und ich nicht?
"Unterm Schulschiff steht a immer ana" ließ er mal raus, ich hab das Schulschiff damals mit allem bombadiert was ich hatte... :lol:

Den ersten Zander fing ich dann in voller Strömung am Steinwurf, allerdings unterhalb des - noch nicht vorhandenen - Kraftwerks.
Da war das Eis gebrochen und noch im gleichen Jahr lief es dann richtig an.

Heute ist diese "Wasserwüste" bumvoll mit Fisch, aber noch schwieriger erfolgreich zu befischen wie damals.
Schöner ist natütlich die Strecke unterhalb von Wien, aber da wird es immer schwieriger unserem Hobby nachzugehen, denn die Steine die uns in den Weg gelegt werden sind bald nicht mehr tragbar...

Re: Wien - wie es ganz früher war

Verfasst: 14.02.2020, 09:11
von Romario
Hello
generell war das Fischaufkommen in der damaligen Zeit um ein zigfaches höher als heute. Ich hab mal vor Jahren eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema "Wareneingänge der Wiener Märkte 1700-1900" gelesen - und das war abartig, welche Mengen und Größen v.a. an Hausen damals gefangen und auf die Märkte geliefert wurden. Da war auch immer der Fangort angegeben - hochinteressant!

hier mal ein bissal was zum hausen:
Screenshot 2020-02-14 at 09.41.08.png
eine Statistik zum Fischverkauf in Wien im 19.jhdt allgemein
Screenshot 2020-02-14 at 10.17.04.png
dann hechte
Screenshot 2020-02-14 at 10.11.11.png
und huchen
Screenshot 2020-02-14 at 10.10.36.png
quelle: "Österreichs Donau: Landschaft - Fisch - Geschichte 2011"

greets

Re: Wien - wie es ganz früher war

Verfasst: 14.02.2020, 10:37
von grusteve
regus hat geschrieben:
14.02.2020, 08:25
ich hätte nicht gedacht dass die Treppelwege schon so alt sind. Wie das dann ohne Begradigung gegangen ist, ist mir echt ein Rätsel.
Auch ich blick da nicht durch - und noch etwas versteh ich nicht ! Wenn da 60 Pferde sind und der ganze Zug samt Last wahrscheinlich 700-800 Tonnen gewogen hat, da kommen auf ein einziges Pferd mehr als 10 Tonnen. Das ist in einem stehenden Gewässer ein Klacks aber in der Donau, die mit 5-7 kmh dagegen fließt?

Hochinteressant sind auch das "Hausenfoto " und dann die Tabellen vom Romario !

Hausen sind während der Zwischenkriegszeit noch bis mindestens nach Mauthausen aufwärts gezogen. Papa war damals ein Lehrbub dort und hat mir davon berichtet- und von riesigen Huchen, die gefangen wurden, allerdings mit dem Netz.
LG

Re: Wien - wie es ganz früher war

Verfasst: 14.02.2020, 15:37
von Sixpack
Passt gut zum Thema -falls es jemand noch nicht kennt:
https://boku.ac.at/fileadmin/data/H0300 ... U_2014.pdf

Re: Wien - wie es ganz früher war

Verfasst: 15.02.2020, 09:38
von rob gone fishing
rob gone fishing hat geschrieben:
11.02.2020, 18:10
peterben hat geschrieben:
11.02.2020, 17:39
Die Arme der Donau waren einst so weitläufig daß der östlichste dis Deutsch Wagram reichte. Daher der Name früher Deutsch Wogenrain (Wogenrand)
haben neue Untersuchungen ergeben. In der Zeit gab es massenhaft Flusskrebse in der Donau, die von den Armen gefangen und gegessen wurden.
Die damalige Herrschaft verordnete dann dass das Personal höchstens zweimal in der Woche mit Krebsen verpflegt werden durfte, da das das billigste Essen war..
das galt auch für den huchen und den hausen!

p.s. würd mich ebenso interessieren, wie die diese altarmsysteme mit ihren zugpferden passiert haben. vielleicht mit holzbrücken....?

lg rob


image1.jpeg
von der schriftart würde ich auch meinen, dass das erste bild irgendwann in den 40iger jahren entstanden ist, nach dem krieg.
naschmarkt ist richtig.

jetzt habe ich endlich das bild gefunden dass ich die ganze zeit im kopf hatte.
ein riesen hausen und dahinter posieren die fänger/arbeiter. denke das muss so um 1900 gewesen sein, vielleicht auch noch früher.
aber super bild:

man beachte den kleinen sterlet vor dem großen hausen!
DH-1910.png

Re: Wien - wie es ganz früher war

Verfasst: 17.02.2020, 07:16
von Lupus
Ja, das letzte Bild hier muss so von 1900 sein. Das sieht man an den grimmigen Gesichtern. Die Leut haben früher immer so "bös" ausgeschaut :lol: .

"Arg" aus heutiger Sicht finde ich auch dieses mit dem Fuß auf den Fisch draufsteigen, wie es glaube ich auch auf alten Jägerfotos vorkommt. Das ist so eine Herscher-Unterworfener bzw. Sieger und Besiegter - Geste, die der damals herrschenden Hierarchie entsprach.

Auch ohne den bedauernswerten Hausen sieht das Bild sehr zeittypisch aus. Auch Firmenphotos von der damaligen Zeit sahen so aus. Der vorne in der Mitte, der natürlich auch seinen Fuß auf den Fisch stellt, ist natürlich der "Herr Generaldirektor".

Re: TdM 02/20: Wien - wie es ganz früher war

Verfasst: 07.04.2020, 19:03
von thomasfischt
Am Ostersonntag um 17:05 in ORF 2 gibt es eine tolle Doku über die Donau und andere Flüsse, über deren Geschichte und Nutzung.

Die Vorschau verspricht viel, die Themen die wir besprochen haben wurden jedenfalls behandelt.

Auch wenn das Wetter eher zum Zeit draußen verbringen einlädt. Ich werds mir aufnehmen.

Re: TdM 02/20: Wien - wie es ganz früher war

Verfasst: 09.04.2020, 09:30
von Lupus
Weiß noch nicht wie das Wetter zu Ostern wird, falls es schön für den Garten ist, nehm ich die Sendung vielleicht auf und kuck sie mir dann später an.

Re: TdM 02/20: Wien - wie es ganz früher war

Verfasst: 09.04.2020, 13:18
von Hellvis
Hallo,

kennen vielleicht ein paar von Euch (wurde vielleicht auch schon gepostet?): https://www.zeitenspruenge.at/start

Re: TdM 02/20: Wien - wie es ganz früher war

Verfasst: 23.09.2021, 08:50
von Kaindlau
Servus

Hier noch einmal die Donau bei Wien visualisiert dargestellt von 1529 bis 2010
Eines ist auffällig nämlich das Jahr 1875, vielleicht hätte es schon damals starke Bürgerinitiativen gebraucht :mrgreen:


https://www.environmentandsociety.org/a ... 00-present

Petri aus Enns

Re: TdM 02/20: Wien - wie es ganz früher war

Verfasst: 23.09.2021, 09:07
von rob gone fishing
sehr interessant, danke hans peter!

Re: TdM 02/20: Wien - wie es ganz früher war

Verfasst: 28.09.2021, 14:37
von Romario
Hello

Ich hab noch was ganz interessantes zu dem Thema gefunden, vorallem eine Übersicht über den Wareneingang auf den Wiener Fischmärkten und den Rückgang über die Jahre.

Es gibt eine Masterarbeit der Universität für Bodenkultur in Wien - hier:
https://forschung.boku.ac.at/fis/suchen ... d_in=12310

Da wird detailliert der Zusammenhang zwischen Regulierung und Verbauung der Donau und Rückgang der Biomasse an Fischen dargelegt.

Das Fazit daraus - ich zitiere:
Die Ergebnisse zeigten, dass sich die Zusammensetzung der
aquatischen Lebensräume, aufgrund der hydraulischen Bauwerke, drastisch verändert hat.
Gravierende Eingriffe bestanden in der Errichtung von Dämmen an Seitenarmen, die zur
Entkoppelung der Neben und Augewässer führten. In einem nächsten Schritt wurden die
jährlichen Lieferungen von Donaufischen an den Markt in kg/Jahr mit der Länge an
jährlich installierten Wasserbauwerken in der österreichischen Donau verglichen. Die
kombinierte Analyse zeigte, dass die Änderungen der Fischzusammensetzung auf dem Markt
zu einem großen Teil (ca. 50%)! auf die Errichtung von Wasserbauwerken in der
österreichischen Donau zurückzuführen sind. Angesichts der Vielzahl an Einflussfaktoren auf
die Fischmarktdaten war das Ergebnis signifikant hoch!


Viel Spass
Romario