Flusskarpfen...........und dann ?

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Kaindlau
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Flusskarpfen...........und dann ?

Beitrag von Kaindlau » 28.01.2020, 19:06

Servus
Da diese Geschichte nicht der Auslöser,(so etwas schwebte mir schon länger vor) aber der Anlass war, den Tread "Wie es früher war" ins Leben zu rufen, möchte ich diesen Beitrag von @Lupus ebenfalls in diesen Tread mit der Einverständnis des Autors verewigen.
@Kaindlau


Die Videos von @Polsi über seine südlichen Wildbachkarpfen haben in mir Erinnerungen erweckt, und da ich dies angedeutet hatte und Polsi mich ersucht hatte, sie niederzuschreiben, komme ich dieser Bitte nunmehr nach.

Ich bitte aber um Eure Geduld, denn es ist eine längere Geschichte, die ich in 3 Teilen verfassen muss.

Nun also:

ERSTER TEIL:

In meiner Jugend war ich zwar schon so wie heute ein Universalangler, der von Friedfisch über Raubfisch bis zum Fliegenfischen auf Salmoniden anglerisch überall "zu Hause" war, aber als typischer Wiener Fischer galt mein Hauptaugenmerk dem Karpfen.

Karpfenfischen wurde in unseren stark befischten Wiener Gewässern unter starkem Konkurrenzdruck ausgeübt und für mich als Teenager war noch jeder verbuchte Karpfenfang eine Besonderheit.

Da las ich aber dann im damals berühmten Angelbuch "Der Karpfen" (James Gibbison, Großbritannien) in einem Kapitel über den Fang von Karpfen in Flüssen.

Dort wird ein kleiner Fluss in England beschrieben, in dem es einen guten Bestand an Flusskarpfen gibt, die zwar nicht groß werden, aber dafür recht leicht zum Anbiss zu bewegen sind, da sie im Fließwasser weniger Zeit haben, den Köder sorgfältig zu prüfen, wie dies oft ihre behäbigeren "Kollegen" der stehenden Gewässer tun.

Die Idee, mich einmal an einem kleinen Fluss karpfenmäßig austoben zu können, war daher sehr verlockend für mich, auch wenn ich dabei keine Rekordfische vermuten durfte.

Das Problem war allerdings, dass es für die kleinen Flüsse in meiner näheren Umgebung keine Urlaubslizenzen gab, und nach meiner bestandenen Matura im Frühsommer 1978 wollte ich aber zwei Wochen der ersehnten Sommerferien mit dem Ansitz auf Flusskarpfen verbringen.

Fündig wurde ich schließlich beim Durchlesen einer kleinen Broschüre "Fischen in Österreich", wo meine Aufmerksamkeit auf ein kleines Flüsschen in einer stillen abgelegenen Gegend fiel, wo als Fischbestand auch Karpfen angeführt waren. Eine Telefonnummer war ebenfalls vorhanden, und so rief ich dort an und der freundliche Herr am anderen Ende teilte mir gleich mit, dass ich eine 2-Wochen Karte haben könne.

Es blieb nur noch das Problem der Nächtigung zu lösen, aber auch dafür hatte der Herr am Telefon eine passende Antwort:

Eine auf der Revierstrecke befindliche alte Sägemühle würde ein "Fremdenzimmer mit Fließwasser" vermieten, man könne sich gleich darum kümmern, dort meine Ankunft anzukündigen und das Zimmer zu reservieren.

Wenn das nun keine herrlichen Aussichten waren ?

So fuhr ich im Juli 1978 frohen Mutes mit meinem klapprigen Citroen 2 CV los, ausgestattet mit reichlich Angelgerät und Futtermaterial, und ich kam nach mehrstündiger Fahrt in dem Dorf an, wo ich mir die Lizenz abholen konnte, und dann fuhr ich die stille Forststraße entlang bis zur total abgeschiedenen Mühle dicht am Flusse.

Dort wurde ich von einer älteren rundlichen kleinen Frau, dem sogenannten "Faktotum", also derjenigen, die sich um alles kümmert, freundlichst in Empfang genommen als "der junge Herr aus der Stadt, der die Fisch´ fangen will".

Das Zimmer war schlicht, aber komfortabel, und es wurde vereinbart, dass ich mein Frühstück jeden Tag etwa um 09.00 Uhr einnehme, denn ich wollte von 4 Uhr früh die Morgenbeißzeit auf die Karpfen ausnützen.

So fand ich auch bald bei der ersten "Beschnupperung" des Revieres eine wunderbare idyllische Stelle, in der ich in einer tieferen Rinne die ideale Karpfenstelle vermutetete. Der erste Tag brachte zwar nur Weißfische und immerhin eine Schleie, aber schon am nächsten Tag fand sich ein Trupp Karpfen am Futterplatz ein. Es waren eben so richtig kleine wilde Gesellen, so etwa 1,5 bis 2 Kilo schwer, aber am feinen Gerät (ich fischte mit einer Hardy Avon Rute und 25er Peryl) schon sehr kämpferisch. Meistens waren es Schuppenkarpfen, und manchmal auch Spiegelkarpfen mit auffallend vielen großen Schuppen und nur wenigen "nackten" Stellen.

Um 09.00 nahm ich jeden Tag im Innenhof der Sägemühle mein Frühstück ein, da duftete schon der Kaffee, es gab ein gekochtes Ei, Brot, Butter, hausgemachte Marmelade...… ausgezeichnet. Nicht einmal in einem 5-Sterne-Hotel hätte ich es besser treffen können.

Die Abende verbrachte ich im Dorfwirtshaus, wo ich mich an guter Hausmannskost und reichlichem Konsum von Bier und auch Hochprozentigem gütlich tat. Einmal entnahm ich auch einen Karpfen und ließ ihn mir dort im Wirtshaus zubereiten, es war der beste, den ich je gegessen hatte.

Danach begab ich mich, leicht vom Alkohol umnebelt, aber mit jugendlich gutem Blick in der Dunkelheit, zu später Stunde zu meinem Quartier zurück und schlief wenige Stunden, um dann um 04.00 Uhr früh wieder am Wasser zu sein.

Es ist schon erstaunlich, wass ein strammer Körper eines 18-jährigen so alles aushält: Fressorgie und reichlicher Alkoholkonsum am Vorabend, dann paar Stunden schlaf, interessanterweise keine Kopfschmerzen am Morgen, und der Marsch durch die Dunkelheit mit Angelrucksack und Rutenfutteralen und der unvermeidlichen "Austria 3" zwischen den Lippen, um den Fußmarsch bis zur angefütterten Stelle zu erleichtern.

So vergingen die ersten 3 Tage als voller Erfolg. Die Karpfen waren beißfreudig, die Unterkunft und die Verpflegung waren erstklassig, und ansonsten begegnete ich keiner Menschenseele, außer ganz selten mal einem Revierförster oder meinem Lizenzaussteller, der sich auch überzeugen konnte, dass ich korrekt und waidgerecht fischte.

Herrlich war es, so ganz im Einklang mit der völlig unberührten Natur den "kleinen Schätzen" des Flüsschens, seinen freundlichen kleinen "Flusskarpfen" zu Leibe zu rücken, sodass ich wunschlos glücklich war.



ZWEITER TEIL:

Nun, als ich die nächsten Tage nach der morgendlichen Fischerei zufrieden mein Frühstück einnahm, erklärte mir die kleine rundliche liebe Magd mit wichtiger Mine, dass für heute Nachmittag „die gnädige Frau“ zurückerwartet werde, nämlich die Mühlenbesitzerin. Es hätte Monate zuvor einen Trauerfall in der Familie gegeben, und die gnädige Frau sei mit einigen Erledigungen in der Kreishauptstadt beschäftigt gewesen.

Mir als leidenschaftlichem Fischer, Vielfraß und Schluckspecht war diese Nachricht eigentlich ziemlich egal. Um „meine“ Flusskarpfen zu fangen, hätte ich notfalls auch in einer Scheune übernachtet.

Jedenfalls, ich ging wieder fischen, und als ich am Nachmittag zurückkehrte, zog ich mir erst einmal einen anderen Pullover und andere Jeans an, und als ich um meinen Kaffee hinunterging, stand da nicht nur die kleine alte Magd, sondern auch eine...

...ohoooo!…….schlanke, dunkelhaarige, ganz in Schwarz gekleidete Dame.

Sie schien schon um die 40 zu sein, hatte aber nicht nur eine äußerst anmutige Figur, sondern auch wunderschöne dunkle Augen und ein sehr feines Antlitz, sodass ich trotz des beträchtlichen Altersunterschiedes regelrechte Herzklopfen bekam, als ich…… ganz im Gegensatz zu meinem sonstigen Rabaukentum……., zu ihr überaus artig sagte:

„Küss´ die Hand gnädige Frau, sie gestatten, dass ich mich vorstelle?“ , was von der schönen schwarzgekleideten Dame mit bestenfalls vornehmer Zurückhaltung und einem minimalst angedeutetem Kopfnicken registriert wurde.

Nun gut, als ich dann spätnachmittags wieder zum Fischen hinauszog, klappte es erstaunlicherweise nicht so wie sonst:

Ich war irgendwie unkonzentriert und statt wie üblich einen Karpfen im Kescher zu haben, hatte ich

a) eine gewaltige Schnurperücke in der Rolle,
b) einen versauten Wurf in das gegenüberliegende Gebüsch, der mich meine Montage kostete,
c) 2 Fehlbisse.

Verflucht noch einmal, was war geschehen, warum war ich so „fahrig“ ? Wenn ich wirklich ehrlich zu mir war, so gab es für meine Missgeschicke nur eine ganz einfache Antwort bzw. Erklärung: Ich hitziger kleiner Dummkopf hatte mich gleich auf den ersten Blick in die schöne Müllerin verguckt, und zwar ordentlich…..

Auf der anderen Seite war mir dieses komische Gefühl mit den Schmetterlingen im Bauch auch richtig peinlich und ich versuchte, es „abzuschütteln“, indem ich mir selber sagte „Trottel, Depp, deppater, wieso denkst du, statt konzentriert zu fischen und dich auf die abendlichen Biere im Wirtshaus zu freuen, an diese zwar attraktive, aber überaus reife Frau, die Dir doch mehr als wurscht sein kann. Denk ans Fischen und ans Saufen, und basta !“

Wie wird es wohl weitergehen ? Hofft Ihr auf ein „happy End“ für „uns beide“, wo die schöne Dame doch schließlich den „unschätzbaren Wert der wahren und reinen Gefühle eines 18-jährigen fischenden Lausbuben erkennen muss und diesen Reizen erliegen muss……, oder was für alle Beteiligten zu hoffen ist…… ich kam zur Vernunft und der Alltag hatte mich wieder?



DRITTER TEIL:

Ich befand mich frei nach Stefan Zweig´s Novelle ….. in der „Verwirrung der Gefühle“. SELTENER ging ich ins Wirtshaus, weniger trank ich, weniger konzentriert fischte ich, und dafür verweilte ich öfters im Hause in der Hoffnung, irgendeinen Blick, irgenein Wort, irgendeine Gestik der stolzen, unnahbaren Schönen zu erheischen, gleichsam eines kleinen Hündchens, welches um die Gunst der Großen buhlt.

Ich wußte selber nicht, auf was ich hinauswollte, vielleicht wollte ich einfach nur ein bisschen mehr über die schöne Dame wissen und etwa vielleicht gar ein Gespräch mit ihr führen. Es war wie ein Bann ! Ich war wie ferngesteuert und dachte nur mehr daran, wie ich aus dieser einseitigen, stummen Anbeterei irgendwie mehr machen könnte.

Wie aber nur ? Denn außer, dass ich ein hochgeschlossener schlaksiger Teenager mit Maturaabschluss war, der Fische fangen konnte und trinkfest war, hatte ich nicht allzuviel, womit ich irgendjemandem hätte imponieren können, geschweige denn einer ernst und zurückhaltend wirkenden, aber umso schöneren Dame wie dieser .

Hatte ich nicht gerade weiter oben Stefan Zweig erwähnt ? Natürlich ! DAS war die rettende Idee. Ich werde mich als Literaturkenner offenbaren und sie wird mir verkünden, dass sie ebenfalls der Leidenschaft für das Schöngeistige fröhnt und so werden wir uns ….. inspiriert durch die „Verwirrung der Gefühle“, die „Ungeduld des Herzens“ etc. vereint finden und uns lieben, bis der Tod uns scheidet……

So offenbarte ich ihr also tatsächlich mit poetischen Worten, mich in dieser wunderbaren Natur nicht nur an den profanen Zerstreuungen der Fischwaid zu ergötzen, sondern in der Einsamkeit Kraft tanken zu wollen und mich in abendlichen Mußestunden auch an der Lektüre zu ergötzen. Ich hatte nämlich aufgrund ihres lupenreinen Hochdeutschs die Vermutung, dass sie eine gebildete und belesene Frau war, was auch zutraf.
Sie wurde tatsächlich etwas gesprächiger und fragte mich „was ich denn so zu lesen pflege“ und als ich ihr offenbarte, ein großer Verehrer von Stefan Zweig, Hermann Hesse, Josef Roth, Adalbert Stifter etc. zu sein, „gestattete“ sie mir dann doch dann und wann einen „literarisches Gespräch“ wobei sie ein wenig mein literarisches Verständnis testen zu wollen schien, indem sie mir die eine oder andere Frage stellte, wie man diese oder jene Passage wohl interpretieren könne und was uns der Autor mit seinen Zeilen vermitteln will. Sagten ihr meine Antworten zu, so wurde dies mit einer knappen Bemerkung „korrekt“ honoriert.

Mehr konnte ich über sie nicht in Erfahrung bringen.

Ach Gott ! Wie unzufrieden war ich plötzlich auf einmal mit allem, was ich darstellte: Hatte ich noch eine Woche davor als kecker, nicht auf den Mund gefallener Teenager meinen Maturaabschluss gefeiert und mich für „unschlagbar und unwiderstehlich“ gehalten, so wäre ich jetzt ganz gerne in eine andere Persönlichkeit geschlüpft, nämlich so, wie man es aus alten Verfilmungen von Romanen aus der K&K Zeit kennt, wo ich dann ein finanziell unabhängiger Privatier in den besten Jahren wäre, der im schattigen Park einer ehrwürdigen Kuranstalt bestrebt ist, das Herz einer geheimnisvollen, attraktiven Dame der feinen Gesellschaft zu erobern, mit Handkuss und überreichtem Rosenstrauß, und abends dann würde wir wie verzaubert zu den Walzerklängen der Kurkapelle tanzend über´s Parkett gleiten, ich in Smoking oder Frack, sie in einem scheinbar schlichten, aber dadurch umso edler wirkenden schwarzen Abendkleid, denn anders als in schwarz konnte ich sie mir nicht vorstellen……
Soweit zu meinen Tagträumen damals……

Wie Ihr allerdings seht, habe ich mich gegenüber der Dame anständig und sittsam verhalten. Zu groß war mein Respekt vor der schönen geheimnisvollen Frau, und allzu deutlich war ich mir meiner eigenen Grenzen bewusst geworden.

Und so verging die schöne Zeit der stillen Einsamkeit der Fischerei auf die kleinen Schätze des Flüsschens, und die Zeit der „Verwirrung der Gefühle“ meinerseits……., der Tag der Abreise war gekommen.

Die schöne Müllerin gab mir zum Abschied….. dieses einzige Mal…… sogar kurz die Hand und wünschte mir mit ihrer ruhigen aristokratischen Stimme „eine gute Zukunft“. Kein Wort von „besuchen Sie uns doch mal wieder“ oder gar „schreiben Sie mir doch einmal“….., und das, liebe Freunde, war auch gut so.

Ich hatte aber doch ein großes Geschenk mitggenommen, nämlich diese unbezahlbaren Erinnerungen, nicht nur an eine schöne, stimmige Fischerei, sondern an eine kurze, flüchtige Begegnung mit einer in jeder Hinsicht bemerkenswerten Damen. Ich hatte daraus auch eine wichtige Lektion gelernt, nämlich zu erkennen, wo es Grenzen gibt und wo man sich in Dankbarkeit fügt und auch das zunächst scheinbar Wenige, was einem vergönnt wird, zu schätzen weiß.

Das gilt auch für die Angelfischerei, denn sehen wir alle nicht manchmal einen besonders großen und schönen Fisch, den wir allzugerne drillen und keschern möchten, was aber angesichts der Umstände und unserer eigenen bescheidenen Fähigkeiten zum Scheitern verurteilt wäre, weshalb wir uns schließlich einfach daran freuen, dass es dieses Geschöpf überhaupt gibt, ohne dass wir es gleich fangen müssen ?
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TheKing1959gerd
Der vielleicht letzte klassische Ansitzangler Österreich`s
http://spazio3.com

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