Die Oasch-Warzen

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Die Oasch-Warzen

Beitrag von Romario » 23.01.2020, 11:24

Die „Oasch-Warzen“

Meine Großtante kommt aus dem Weinviertel ganz nah an der tschechischen Grenze. Also „Eiserner Vorhang“ mit Stacheldraht, Panzersperren, die Thaya mit Wachtürmen, darauf Soldaten kurz gesagt – die Todes-Zone und nur etwa 100m vom Grundstück meiner Tante entfernt – aber eine komplett andere Welt. In die ich aber vom Haus meiner Tante aus sehen konnte. Mit dem alten Feldstecher hatte ich freien Blick auf das Grenzhaus und sah immer die gleichen grimmigen Gestalten - vor allem einer - der Kommandant der Grenzstation. Er kontrollierte jedes Auto akribisch und wahr eine echte "Oasch-Warzen" in seiner kackgrünen Uniform mit der viel zu großen Kappe. Mein Name für ihn war gefunden.

Es muss um 1985 gewesen sein, als ich das erste mal "rüber" fuhr und ich empfand alles wahnsinnig grau und eintönig. Doch wir hatten Verwandte drüben und deshalb waren wir mehrmals im Jahr in einem Dorf gleich hinter der Grenze. Jedes mal beim rein und rausfahren die gleiche Prozedur - vor allem die "Oasch-Warzen" tat sich immer wieder besonders hervor. Selbst die übliche Bestechung mit einer Flasche Whiskey funktionierte bei ihm nicht, und auch seine Untergebenen hatten zuviel Angst vor Repressalien und kontrollierten eisern.

Dann kam 1989 und der Fall des "Eisernen Vorhangs" - alles war anders, die Tschechen standen bei uns im "Meindl" Schlange und kauften die Regale leer. Und auch wir fuhren rüber - die Rave und Techno Welle hatte bald die neu entstandenen Clubs erreicht und dort ging richtig die Post ab. Die Tschick waren billig, der Alk spottbillig, die Mädels bildhübsch - also waren wir praktisch jeden Freitag u Samstag irgendwo zwischen Brünn, Bratislava und Znaim unterwegs.

Das einzige, was sich nicht geändert hatte, war die "Oasch-Warzen" - denn der alte Kommunist war noch immer Kommandant der Grenzstation und exakt gleich in seinem Verhalten. Vorallem, wenn wir ziemlich angeheitert gegen fünf Uhr früh mit unseren klapprigen Fiat Unos und Einser-Golfs wieder über die Grenze nach Österreich zurück wollten - war er immer da. Schikanen programmiert - einmal standen wir fast 3 stunden frierend neben unseren Autos. Naja "Oasch-Warzen" eben.

Und irgendwann waren die Grenzbalken weg und es gab keine Grenze mehr - die Tschechen waren/sind in der EU und heute erkennst du nicht mehr den Unterschied zwischen Ö und CZ, wenn du im Grenzgebiet unterwegs bist.

Aber das war noch nicht die letzte Geschichte zur "Oasch-Warzen", denn tataaaaa: Als ich vor etwa 10 Jahren im Fischerverein in CZ meine erste Jahreskarte kaufte - wer war der "Kassier"?? Die "Oasch-Warzen natürlich. Und er ist auch Ober-Kontrolleur, Ober-Fischaufseher UND: Der Onkel meiner Putzfrau :) - da sind wir erst letztes Jahr draufgekommen.

Und die Oasch-Warzen heisst übrigens Janos und ist eigentlich ein ganz netter alter aber bissal grimmiger Bär. Wir waren auch schon gemeinsam fischen, da er mit seinen fast 90 Jahren nimma so gut beinander ist, hab ich ihn zweimal mitgenommen - und so schließt sich der Kreis. Man trifft sich eben immer zweimal im Leben – oder auch öfter :D
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Re: Die Oasch-Warzen

Beitrag von Lupus » 23.01.2020, 12:18

Großartige Geschichte.
Aber das ist dann doch ein Riesenzufall, dass sich der Kreis so schließen konnte. Wie klein dann manchmal doch die Welt ist.

Übrigens musste ich lachen wegen "Meindl" , denn heute ist das ja alles Spar, aber die Sparfiliale wo ich kauf, war früher Meindl, und so sag ich immer noch "ich geh zum Meindl einkaufen".

Genauso wie ich bei einem großen Bankinstitut auch aus Gewohnheit immer noch sag …..die "Z". :lol: Wenn ich sag ich geh auf die Bank, sag ich ich "geh auf die Z " :lol:

Insoferne scheint sich der Kreis auch zu schließen. Früher lachte ich über die alten Ausdrücke meines "Opa" der gar nicht mein Opa war, der zum Mineralwasser "Gieß" sagte, zur Deutschen Post "Reichspost" und zum Volkstheater "Deutsches Volkstheater".
Jetzt bin ich 60 und mach´s genauso und verwende alte Ausdrücke, die gar nicht mehr gelten :lol:

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Re: Die Oasch-Warzen

Beitrag von Andreas » 23.01.2020, 12:21

Was für eine tolle Geschichte! So etwas kann nur das Leben selbst schreiben. Danke dafür!

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Re: Die Oasch-Warzen

Beitrag von thomasfischt » 23.01.2020, 14:42

Super Geschichte!!

Ein gutes Beispiel, dass es nicht nur Schwarz und Weiß im Leben gibt.

Ich bin für diese Zeit etwa 10 Jahre zu jung, aber interessiert mich jetzt umso mehr.

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Re: Die Oasch-Warzen

Beitrag von grusteve » 23.01.2020, 16:46

Ja, wirklich eine lustige aber auch hintergründige Geschichte ! Es gab sie schon die völlig unerbittlichen, fast hasserfüllten Kommunisten, vielleicht aus eigener schlechter Erfahrung heraus oder auch eben so erzogen und instruiert.
Heute sind die meisten ganz anders, besonders die Jungen -und mit den einheimischen Fischern verstehe ich mich in der Regel sogar besonders gut.
Romario hat geschrieben:
23.01.2020, 11:24
und heute erkennst du nicht mehr den Unterschied zwischen Ö und CZ, wenn du im Grenzgebiet unterwegs bist.
Also da Romario muss ich dir schon widersprechen ! Sobald man über die Grenze fährt, ist man einfach im Nachbarland, die Häuser sind irgendwie anders, die Färbelung derselben und auch die Landschaft ist irgendwie größer und großzügiger, auch weniger gepflegt, was gar kein Nachteil ist.
LG

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Re: Die Oasch-Warzen

Beitrag von Romario » 23.01.2020, 17:13

@grusteve
das kommt auch darauf an, wo du über die grenze fährst - also zwischen Drasenhofen und dem Grenzübergang Reinthal - also praktisch das ganze Weinviertel entlang sind die Unterschiede für mich minimal - ich glaub auch, das hängt davon ab, ob das Gebiet ein EU Förderungsziel Nummer 1 ist.
Wenn ja, gehts ziemlich schnell (Infrastruktur, Strassen, Schulen, Kindergärten) Teilweise schauen die Hauptplätze gepflegter aus als unsere. Dort gibts eben weniger Einkaufszentren auf der grünen Wiese und mehr Geschäfte in den Stadtzentren - etwas das wir leider komplett versäumt haben
Und wenn ich nochwas anführen darf: die Spielplätze. Ich fahr mit meiner Tochter immer rüber, weil einfach moderner und schöner sind.
Klar gibts Unterschiede - aber wenn ich nach Italien fahr schauen die Häuser auch anders aus :)
greets

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Re: Die Oasch-Warzen

Beitrag von grusteve » 23.01.2020, 17:38

Romario hat geschrieben:
23.01.2020, 17:13
das kommt auch darauf an, wo du über die grenze fährst - also zwischen Drasenhofen und dem Grenzübergang Reinthal - also praktisch das ganze Weinviertel entlang sind die Unterschiede für mich minimal - ich glaub auch, das hängt davon ab, ob das Gebiet ein EU Förderungsziel Nummer 1 ist.
Ja im Weinviertel, da kann ich eh nicht mitreden ! Im Mühlviertel und wenigstens im westlichen Waldviertel ist es allerdings noch sehr augenscheinlich, besonders auffällig sind für mich Gmünd und Ceske Velenice - und ich sag das beileibe nicht abfällig.
Und wenn was neu gemacht wird, dann ist es sehr großzügig und prächtig, was mir gar nicht immer so gefällt. Da gibt es nun beispielsweise einen Ort, den wir spaßhaft "XY……am Kreisverkehr " nennen, so gewaltig erscheint uns der neu errichtete Kreisverkehr in der recht kleinen Ortschaft.Vielleicht hab ich aber auch fürs Weinviertel noch die diversen "Am Schauplatz" im Hinterkopf und das stimmt gar nicht mehr. :lol: :lol:
LG

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Re: Die Oasch-Warzen

Beitrag von peterben » 23.01.2020, 19:22

Wie in meiner Geschichte - Der Opa- schon beschrieben bin ich ja sehr sehr viel bei ihm in Hohenau gewesen und hab mit ihm March, Thaya und Ausstände befischt. Opa wurde weil er österreichischer Herkunft war aus Brceclav vertrieben, obwohl Oma Tschechin war. Beide sprachen natürlich perfekt tschechisch, auch meine Mutter und ihre beiden Schwestern. Ich habe auch heute noch Verwandte in Brceclav und Bratislava. Meine Mutter hat uns nie Tschechisch beigebracht, damals sagte sie wozu, dort am Eisernen Vorhang ist sowieso die Welt zu Ende. Schade heut wäre es praktisch.
Opa hatte eine schöne Daubelhütte an einer Thayakurve, und sehr oft war ich mit ihm dort fischen, auch in der Nacht. Wir hatten immer kaltes Bier
in einem Jutesack vom Steg in die Thaya hängen, und manchmal marschierten Trupps tschechischer Grenzsoldaten drüben am Ufer entlang, mein Opa begann immer mit ihnen ein Plauscherl in tschechischer Sprache, meistens endete es damit dass wir ein paar Flaschen Bier in den Uferschlamm drüben warfen und mit ihnen über den Eisernen Vorhang hinweg ein Bier tranken. Weiters hatte Opa einen Verwandten drüben, der Oberförster in der Au drüben war und dadurch als einer der wenigen Menschen Zutritt bis zu Flussufer hatte. Auch er tauchte manchmal dort auf ein Tratscherl mit Opa und ein Bier auf, bei Niederwasser wechselten auch manchmal andere Kleinigkeiten das Ufer. Also bis hier noch keine Oaschwarzn, aber: Auch uns haben sie beim Grenzübertritt gequält, durchsucht, stundenlang warten lassen. Und nicht nur die Tschechen, ich war schon im Kommunismus viel unterwegs in den anderen Nachbarlandern wie Ungarn, Jugoslawien, aber auch nach dem Fall des Vorhanges als sie noch nicht bei Schengen waren sie mit Vorsicht zu genießen, kurzum: Wenn ich heute diese Grenzen überquere, stellt es mir noch immer leicht meine kaum noch vorhandenen Nackenhaare auf.
Inzwischen bin ich mit einer Ukrainerin verheiratet, und bei jeder Fahrt über die ukrainische Grenze denk ich mir: Hier gibt es sie noch die Oa.........
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Re: Die Oasch-Warzen

Beitrag von Lupus » 24.01.2020, 06:33

peterben hat geschrieben:
23.01.2020, 19:22


Inzwischen bin ich mit einer Ukrainerin verheiratet, und bei jeder Fahrt über die ukrainische Grenze denk ich mir: Hier gibt es sie noch die Oa.........
Ja, dort kann ich mir das noch vorstellen. Ich war nur einmal einen Steinwurf von der ukrainischen Grenze entfernt, als ich an der oberen Theiss stand. Besonders die Karpatenukraine, die ja früher mal zu Ö-Ungarn gehörte, stelle ich mir hochinteressant vor.

Aber das Oaschwarzen-tum wird wohl in ganz Europa irgendwann "Geschichte" sein. Aber für Oaschwarzen-Nostalgiker wäre ein Besuch nach Nordkorea eventuell etwas...…..
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Re: Die Oasch-Warzen

Beitrag von Romario » 24.01.2020, 09:10

@petererben
sehr schöne Geschichte - danke :)
diese leisen Annäherungen mit den Menschen auf der anderen Seite der Grenze waren legendär.

Erinnert mich auch an die sagenumwobene "Laaer Schachpartie"
ich weiss nicht, ob die Geschichte stimmt aber sie wird bei uns in der Gegend erzählt.

Also zur Zeit des Eisernen Vorhangs spielten im Sommer zwei jüngere Männer aus Laa immer Schach an der Thaya. Auf einer Sandbank, die ziemlich weit in die Thaya reinreicht und die es auch heute noch gibt - inklusive Grenzstein. Und da sie nicht im Sand spielen wollten, legten sie ihr Schachbrett einfach auf den Grenzstein.
Ganz in ihr Spiel vertieft, merkten sie nicht, dass sich von der anderen Seite zwei tschechische Grenzsoldaten genähert hatten und interessiert die Schachpartie verfolgen. Nach einer kurzen Schrecksekunde wurden die ersten Worte gewechselt und wenig später sassen zwei Österreicher und zwei tschechische Soldaten mitten auf einer Sandbank - quasi im Niemandsland und spielten Schach - mitten im Kalten Krieg.
Und angeblich trafen sie sich dann regelmässig im Sommer auf ein gepflegtes Bier und eine ausgedehnte Partie Schach.

greets
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Re: Die Oasch-Warzen

Beitrag von peterben » 24.01.2020, 16:02

@ Lupus

Die Ukrainischen Karpaten sind ein sehr interessantes Gebiet, ich arbeite gerade an einem Projekt rund um Tschernowitz, in der K&K Zeit Hauptstadt der Bukowina, heute noch Klein Wien genannt. Meinen Informationen vor Ort zufolge gibt es dort in den Flüssen Tscheremosch und Pruth gute und natürliche Vorkommen an Forellen, Barben, Döbeln, Schieden und jetzt kommt`s: Huchen! Diese Flüsse mäandern noch in u frei und zur Nahrungsbeschaffung bestimmtnzähligen Schleifen und Verzweigungen unreguliert
und nicht durch Wasserkraftwerke unterbrochen wie vor hunderten Jahren durchs Land. Die Siedlungen sind noch immer in einem großen Abstand von den Gewässern entfernt, das Hochwasser kann sich ausbreiten und so jedes Jahr Augebiete und deren Gewässer zu dotieren. Die Region ist auch gut für Zander, Hechte und Welse, aber: In der Ukraine benötigt man weder eine Fischerkarte noch eine Lizenz, fischen war und ist dort noch immer zur Nahrungsversorgung gedacht und die Einheimischen sehen es nicht gerne, wenn man ihnen in die Quere kommt. Nun versuche ich einen ansässigen Angler zu finden, der deutsch oder englisch spricht und als Guide fungieren soll. Ohne einen Einheimischen sollte man dort nichts versuchen.
Diesen Sommer werde ich hoffentlich Gelegenheit finden das Gebiet zu erkunden, ich werde über meine Fortschritte weiter berichten. Wenn es möglich ist will ich dann im November eine Woche auf Huchen probieren, ich werde über meine Fortschritte berichten.
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