Die Hechte am Golfplatz

Antworten
Benutzeravatar
Romario
Kapitaler-Karpfen
Beiträge: 792
Registriert: 11.09.2008, 11:00
Revier/Gewässer: Thaya, March, CZ
Wohnort:
Hat sich bedankt: 50 Mal
Danksagung erhalten: 157 Mal

Die Hechte am Golfplatz

Beitrag von Romario » 15.01.2020, 17:01

Hello
Motiviert von Kaindlau´s Story hab ich auch noch was geschrieben.

Die Hechte am Golfplatz oder wie ich „Sie“ kennenlernte ...

Vor gut 25 Jahren also mitten in den 90ern erzählte mir mein damaliger Chef, der von meiner Angel-Affinität wusste, dass er in Ungarn auf einem Golfplatz war, wo in den Wasserhindernissen (=kleinen Teichen) riiiiiesige Hechte stehen würden. So groß, dass sich niemand mehr trauen würde die verlorenen Golfbälle aus dem Wasser rauszufischen. Er stellte die Räuber als „Plage“ dar, die schnellstens möglich zu beseitigen sei. Vorallem die Club-Besitzerin sei ganz verzweifelt, weil sich ihre Gäste beschweren würden etc.

Jeder von uns, kann sich vorstellen was das in mir auslöste. „Riesige Hechte ...“ – noch heute erinnere ich mich an den wohlig warmen Schauer, der mir über den Rücken lief. Da musste ich hin – besser heute als morgen.

Gesagt getan. Ein paar Tage später waren wir (Angel-Spezi und ich) schon am Weg Richtung Balaton. Das Auto war randvoll mit Ruten, Hechtködern, Zelten, Liegen, und jede Menge Köderfischen gefroren und eingelegt in Öl, Meeresfische, Rotschwanzerln usw und eben allem, was man so für ein paar Tage Hechtfischen braucht.

Nach gut drei Stunden erreichten wir den mondänen Golfclub. Es war gerade mal acht Uhr morgens – ein herrlicher Sommertag und das Clubhaus dementsprechend verwaist. Keiner zu sehen, nur betriebsame Angestellte, die alles auf Hochglanz brachten. Kurz zum Bild, dass wir dort abgaben: Zwei langhaarige verkiffte 25jährige Jeansträger, die mit zerissenen Iron Maiden Shirts und in Gummistiefeln die Chefin des Golfclubs suchen um dort zu fischen. Erklär das mal jemanden der nur Ungarisch spricht. Die haben uns angesehen, wie wenn wir Sandler wären.

Also verließen wir das Clubhaus um uns mal bei den Teichen umzusehen. Keine gute Idee, denn dann kam die Polizei. Und die sprachen auch nur Ungarisch. Und nahmen uns gleich mal mit aufs Revier.

Falls sich jetzt jemand fragt, warum wir nicht einfach die Tante vom Golfclub angerufen haben – ich hatte damals Mitte der 90er einfach kein Handy. Mein Chef hatte das mit ihr ausgemacht und wir würden sie ja ohnehin im Golfclub treffen – jo genau!!!

In Wahrheit saßen wir auf der Polizeiwache irgendwo in der ungarischen Pampa. Achja sie warfen uns sowas wie „Einbruch und Hausfriedensbruch“ vor. Aber nach etwa einer Stunde durften wir telefonieren. Und ich entschied mich meinen Chef anzurufen – vom Festnetz aus Ungarn aus auf dessen Autotelefon (D-Netz!!!) – eine haarige Situation. Doch unser Glück war zurück und ich erreichte ich ihn und erklärte ihm die Situation.
Ich machs kurz – eine weitere Stunde später erscheint „Sie“. :roll:

„Sie“ war eine Erscheinung, wenn auch sehr exzentrisch. Etwa um die 40, groß, schlank, wallende dunkle Haare, Sonnenbrille und ein weißes, billiges, kurzes, enges Nuttenkleid (Sorry, mir fällt kein anderes Wort zu dem Gürtel, den sie Kleid nannte ein). Dann ging alles ganz schnell – sie begann sofort auf die Beamten einzureden und als sie ihre Geldböre öffnete und eine „Blauen“ zückte war die Welt für die ungarische Polzei wieder in Ordnung.

Keine 5 Minuten später saßen wir bereits in ihrem gelben Fiat Barchetta Cabrio – von ihr auch mein „Rennsemmerl“ genannt. Und so ist sie auch gefahren
Mit sprichwörtlich glühenden Bremsen kamen wir wieder im Golfclub an. Mittlerweile war es später Vormittag und wir hatten nochnicht mal ansatzweise eine Angel ausgeworfen.

Aber „Sie“ nahm das ganz locker und sagte in breitem Wiener Dialekt mit ungarischem Akzent: „Oiso ihr sads jetzt mei Rettung für die Hechte? An Tausender hobts mi eh scho kost, des miassts jetzt wieder einspielen, wie a immer ...“ Dazu lächelte sie und hob erstmals die dunkle Sonnenbrilla an um uns tief in die Augen zu blicken. Hui Generell kamen wie uns ein bissal vor, wie die Gostbusters, die grad eine verwanzte Bude zu säubern haben. „Yes, Mam, we will solve that problem ...“

Also endlich raus zu den Hechten. Es waren 3 Teiche ein kleinerer, an dem mein Spezi sofort zu spinnen begann und zwei größere (ca 2ha), die man beide von einem kleinen Damm aus befischen konnte. Ich legte erwartungsvoll vier (sic!) Ruten aus. Beködert mit Sardine in ÖL am Grund, Rotschwanzerl lebend am Schwimmer, Rotschwanzerl tot am Grund und eingeschnittene Laube mit Auftriebskörper – das Rennen konnte beginnen.

Doch ich bzw wir hatten die Rechnung ohne den Wirt/die Hechte gemacht. Wir hatten keinen Zupfer. Über Stunden. Und als die Sonne langsam unterging waren wir am Verzweifeln. Was hatten wir falschgemacht, was übersehen ...?

Was uns schon am Nachmittag aufgefallen war, waren verdächtige Geräusche und Plätschern im gegenüberliegenden Schilf. Hatten sich die Hechte alle dort versteckt? Nachdem die Geräusche aus dem Schilf immer stärker wurden wollten wir es genau wissen und umkreisten den See – einer von rechts, einer von links – und was wir sahen, ließ unsere Kinnladen herunterhängen. Dort fraßen einträchtig und friedlich um die 20 wirklich „riesige“ Amurkarpfen genüßlich die neuen Triebe der Wasserpflanzen – aaaaaaahhhh.

Es gab garkeine Hechte. Es waren einfach sehr große Amurkarpfen, die von den Golfern versehentlich für Hechte gehalten wurden. Also sofortiger Abbruch. Wir packten zusammen und gingen mit gesenkten Köpfen Richtung Auto. Eine komplette Niederlage auf ganzer Länge. Die elendige Autofahrt, die sch... Polizei, die Amure – das war definitiv nicht unser Tag.

Doch das Schlimmste stand uns noch bevor. Wir mussten uns noch von „Ihr“ verabschieden und unsere komplette Niederlage eingestehen. Wie begossene Pudel gingen wir in ihr Büro und erklärten ihr die Verwechslung Hecht vs Amur und unser „Abschneidern“. Ihre Reaktion: Sie lachte laut auf und sagte: „Da brauchts echt zwa Weana, dass mir do kapieren, dass des kane Hechte sondern Karpfen san .. des gfallt ma. Wos kriagts denn von mir?“

Selbstverständlich lehnten wir jede Bezahlung ab. Was ich aber nicht ablehnte war ihre Visitenkarte. Ich hab sie noch heute. Mit rotem Kussmund
Ich hab mir am nächsten Tag mein erstes Handy gekauft und die erste eingespeicherte Nummer war „Ihre“.

Ich war dann öfters übers Wochenende in Ungarn, weniger des Fischens wegen ... :roll:

Mein Gott, war das eine schöne Zeit!

greets
Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor Romario für den Beitrag (Insgesamt 6):
LupusAndreasyesmannKaindlaugrusteveHellvis
Flow river flow, flow to the sea - where ever that river goes - thats where i want to be - flow river flow

Benutzeravatar
Lupus
Wels
Beiträge: 9116
Registriert: 19.03.2005, 10:58
Revier/Gewässer: verschiedene
Wohnort: Wien
Hat sich bedankt: 959 Mal
Danksagung erhalten: 965 Mal

Re: Wie es früher war

Beitrag von Lupus » 16.01.2020, 06:49

Was für tolle Geschichten zum Frühstückskaffee !

Die Geschichte mit der feschen Ungarin nicht ohne: Jedenfalls eine Geschichte, wo eine "mittelbar mit dem Fischen verbundene Frauenbekanntschaft" nicht nur platonisch blieb. Bei mir im Gegenzug, wie auch einmal bei einer schönen Mühlenbesitzerin, blieb es in der Jugendzeit immer nur beim "stummen bewundern".
Ja, Autotelefon D-Netz, ich kann mich noch erinnern an diese komischen Dinger. Und auch ich kaufte mein erstes Handy, ein riesengroßes klobiges Ding von Motorola. Allerdings leider nicht für "romantische Gespräche nach Ungarn" sondern um nebenberuflich als Dolmetscher Geld scheffeln zu können. Und so gab es keine flötende Frauenstimme am anderen Ende, sondern meistens das barsche wienerische Beamtendeutsch, wenn man mich anforderte, das klingt so "Taaaaaaaag, wir brrrrrrrrräuchten Sie als Dolmetscher !"

Antworten

Zurück zu „Wie es früher war“