Der alte Eisenbahner

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Kaindlau
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Der alte Eisenbahner

Beitrag von Kaindlau » 15.01.2020, 12:57

Der alte Eisenbahner

Irgendwann in den frühen 80.ern befischte ich in Enns die sogenannte Hilfswehr.
Das war zum damaligen Zeitpunkt ein Paradies für uns, weil die Fische die in der Enns aufsteigen wollten, bei der Wehr anstanden, und sozusagen nur im Kreis schwimmen konnten. (inzwischen wurde ein Fischaufstieg gebaut).
Direkt neben der Enns führte ein schmaler Weg ein paar Kilometer lang zur Ennsmündung, dem sogenannten Spitz.
Der Weg war übrigens Teil des Treppelweges von der Zeit als Schiffe noch mit Pferden gezogen (getreidelt) wurden, stellenweise sah man noch die runden Steine.
Im Zuge des Hafenausbaues wurde der Weg einfach weggerissen.
Als Schichtler konnte ich relativ viel unter der Woche fischen, und da viel mit oft ein Mann auf der mit dem Rad und Fischerutensilien Richtung Mündung unterwegs war.
Irgendwann passte es, er blieb stehen und als ich die Böschung hinaufkletterte kamen wir ins Gespräch.
Vom Alter her schwer zu schätzen aber so zwischen 70 und 80 Jahre. Altes Waffenrad und die typische Blaumontur der Eisenbahner und Gummistiefel, eigentlich zu warm für den Sommer und dann auch noch die schwere Kappe.
Fischereitechnisch höchst einfach ausgestattet mit Kübel darin Köder wie Kukuruz und Würmer und ein Fetzen war am Lenkrad, am „Packlträger“ metallener Setzkescher und ein klappbarer Mini Campinghocker so ohne Lehne, und einen großen Stoffrucksack wo 2 Teleruten und ein zusammengeklappter Unterfangkescher herausragten.
Die 2 Teleruten waren richtige Prügel, den die Endteile waren so dick wie die heutigen Kohlefaserruten am Handteil.
Da die Ruten montiert waren sah man auch die Schnur oder früher „Sük“ (ich glaube das kam von Silk) minimum 40 im Durchmesser und ab der Spitze sehr stark gekringelt, weil sicher schon jahrelang montiert.
Nach einem kurzen Plausch beschloss ich zusammenzupacken und mit ihm auf den „Spitz“ zu fahren da es auch noch zur Lizenz gehörte.
Ich mit dem Auto war natürlich langsamer wie er mit dem Rad, uns so konnte ich auch den Rest der Montagen sehen.
Eine Rute zum „Stoppeln“ mit einem enormen Korkschwimmer jenseits der 50g und einem Haken der Größe wie sie heute zum Welsfischen benutzt werden, direkt auf die Hauptschnur montiert.
Die zweite Rute war zum Grundfischen gedacht mit ebensolchen Haken und einem sogenannten „Sargblei)
Ih war noch mit dem Ausräumen beschäftigt als er mit sehr hoher Stimme Fisch rief, wobei ich ihm beim Keschern helfen durfte, und mit viel Glück eine große Brachse in den desolaten Kescher sichern konnte.
Ein gekonnter Überhandwurf mit dem Fisch auf einen Stein beendete dessen leben Augenblicke später, und landete anschließend im Gras wo er bis zum Heimtransport liegenblieb, nicht ausgenommen und nicht geschuppt.

Nach einer Stunde stand es 4 zu 0 für den Eisenbahner und ich begann an meinem Setup und meiner Kunst zu zweifeln.

Als nach einer weiteren Stunde nichts mehr geschah hatte er seine Ausrüstung schnell zusammen, und legte die Fische Brachsen und Barben in den Kübel (inklusive Fliegenschwarm), um wieder heimzufahren.
Aber zuerst wollte ich ihm noch meinen zum damaligen Zeitpunkt ganzen Stolz vorführen, nämlich meine gerade erst erstandene elektrische Kühlbox die mittels Kabel mit dem Zigarettenanzünder des Autos verbunden war.
Erstaunt fragte er nach dem Sinn dieses Technischen Wunders und ich erklärte ihm das darin Getränke die man kalt hineingab über Stunden kalt blieben, und als ich dann noch sagte das ich auch meine gefangenen Fische nach dem Ausnehmen und Schuppen hygienisch korrekt nach Hause transportiere, schüttelte er ungläubig den Kopf.

Das Bier das ich ihm Anbot war ihm übrigens zu kalt, und so stand ich noch eine ganze Weile beim Auto, trank zwei Bier die ich ja geöffnet habe, und war mit mir und meiner Welt zufrieden.

Noch ca 2 Jahre sah ich ihn öfters bei mir vorbeifahren, immer mit der Eisenbahner Blaumontur, und immer zur selben Uhrzeit.
Und irgendwann habe ich ihn nicht mehr gesehen, und da wusste ich das er jetzt bei Petrus sitzt, und noch immer über meine elektrische Kühlbox nachdenkt.

Petri aus Enns
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Re: Wie es früher war

Beitrag von Lupus » 15.01.2020, 13:18

Hallo Kaindlau !

Ganz tolle Geschichte.
Die Opas mit den enormen Teleruten sind mir auch noch in Erinnerung. Über einen habe ich mal eine Geschichte geschrieben. Die werde ich mal verlinken.

Übrigens, mir ist der Begriff "Sük" auch noch in Erinnerung. Wir "Jungen" sagten "Peryl", die Alten sagen "Sük".

Übrigens, nicht nur wir hatten alte Begriffe: Auch unsere deutschen Nachbarn sagten zur Angelschnur früher was anderes, nämlich "SEHNE".

Was bei uns ein 30er Peryl war (eine 0,30 Monofilschnur) war dort "ne Nulldreissiger Sehne" .

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Re: Wie es früher war

Beitrag von Romario » 15.01.2020, 15:05

Hello H-P!
Was für eine schöne Geschichte - danke.
Hab a Ganslhaut ...
Gruss auffi die Donau :)
Flow river flow, flow to the sea - where ever that river goes - thats where i want to be - flow river flow

grusteve
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Re: Wie es früher war

Beitrag von grusteve » 15.01.2020, 19:19

Ja Hans, dieser Beitrag hat für mich natürlich "Lokalkolorit" !
Das oder die Hilfswehr- beides ist richtig, weil eben der eine so und der andere so sagte.
Ein Jahr hab ich dort auch gefischt, schon in den Sechzigern und es wimmelte dort vor "Weißen", den Näslingen. Wahrscheinlich wurden sie von den dort damals noch eingeleiteten Abwässern angelockt, beziehungsweise wuchsen dort dann die Algen besonders gut, die sie eifrig abweideten.
Und dein Eisenbahner, da schwebt mir dazu irgendwie ein Gesicht vor Augen, auch ein Hans, den Nachnamen weiß ich allerdings nicht.( mehr :lol: )
LG von Stefan
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